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Ausstellung in der Galerie Mendl – Simbach am Inn – 2016 : „12 +12 – pH-Wert des Tages „

Zu meiner Arbeit „Morgenzeichnungen“ 2015 – ein Tagebuch

Morgenzeichnungen…meistens gegen fünf….Die Morgenzeit ist so besonders, das Denken hat die Chance den Blick in die Welt noch etwas unkorrigierter und ungetrübter zu werfen, ist noch nicht eingefangen von den Verführungen des Tages. Die Morgenstund, eine leichte fliegende Zeit. Ich fühle mich so, als ob ich mich nach Schlaf und Traum für eine kurze Zeit am Tag selbst eingeholt habe. Weich gebettet im Körper der Nacht, umspannt mich die eigene Haut spürbarer. Noch zwickt nix im Sein. In diesem Zustand der Dämmerung, des grauen Zwischenraums vibriert das Denken wie ein Pulsar. Tönt hörbarer um die Synapsen herum. Der Bleistift und die Hand nehmen eine Spur auf. Die Odyssee beginnt. Irgendwo singen verlockende Sirenen und lassen erahnen, was hinter den Vorhängen der Welt ruht. Manchmal ist es ein leichter Spaziergang mit dem Bleistift in diese Richtung, und manchmal beginnt mit dem Zeichnen das Gefühl, dass die Hand gefesselt ist. Entgegen zu steuern ist möglich und doch so schwer. Die Zellen des Gewohnten sind geschult wider neues Land zu rebellieren. Doch was will ich denn außer „wahrhaftig“ sein? Und warum will der Bleistift nicht wie ich? Da kann beizeiten schon mal Ärger auftreten beim Zeichnen. Zum Beispiel, wenn ich erkenne, dass sich die Spurensuche jeden Morgen wiederholt, dass die Muster des Ausdrucks sich in Sicherheit wiegen wollen und ich immer wieder, so scheinbar intuitiv, doch wieder am gleichen Eck des Blattes beginne den Bleistift anzusetzen. Wie dieser Beschränktheit begegnen? Da hilft gelegentlich einfach den Druck aufs Papier zu erhöhen oder eine Linie zu ziehen, die sinnlos scheint. Ich denke so oft: „ Hüte dich vor dem Bild, vor der Figur!“. Doch ich finde alles immer wieder … …gnadenlos….fast wie einen Fluch. Doch das ist kein Fluch, das bin ich, die sich da auf dem Papier begegnet. Und so ist es eher ein Glück der allmählichen Annäherung an das Eigene. Ich bin die Bilder, die mir entgegenblicken… manchmal gähnt das Bild mich an, manchmal reibt es sich die Augen, erinnert mich an die ewige Fruchtblase und das Paradies, ab und zu finde ich verlorenes Treibgut meiner Existenz, manchmal weckt ein Bild die Sehnsucht nach Berührung, manchmal schreit es nach der endgültigen Revolution, schreit danach, nichts mehr im Leben zähmen wollen…und manchmal scheint eine Zeichnung wie aus dem Traum geflogen …. noch träumend…und gelegentlich zeichnet sich einfach das schlichte Morgengrauen aufs Papier – in zweierlei Hinsicht. Dann könnte ich besser wieder ins Bett gehen. Egal, was ich tue…der Traum bleibt…vor allem als Energiequelle für meine Arbeit. Ich spiele den eigenen Postboten für die gewesene Nacht. Das Tolle am Traum ist das Reisen durch Welt, Raum und Zeit ohne Fahrschein, Koffer oder Auto…Es gab Morgenzeiten, da blieb das Blatt leer. Da gab die Nacht noch nicht frei, was in ihr schlummerte. Am Ende stand nur ein Datum auf der Rückseite des Papiers. Das hab ich dann auch nicht ausgehalten. Das Bedürfnis „Nachzusitzen“ bzw. Nachzuzeichnen, was noch gefangen in mir war, die Sehnsucht tiefer einzutauchen in die Erinnerungen der Nacht ergaben dann, jedoch höchst selten, schon mal einen Wochenbericht statt eine Morgenzeichnung. Die Lust zu erfahren, wer ich war, wer ich bin und wer ich werde im Zusammenhang mit der Welt und den anderen Menschen, haben den roten Faden übers Jahr gehalten.

©Barbara Strack im April 2016